Doppeldiagnose: Leben mit PCOS und Lipödem (Teil 1)

Lipödem bei PCOS
Lipödem ist eine schmerzhafte chronische Fettstörung, oft falsch diagnostiziert. Eine Fettabsaugung hat sich als effektive Methode erwiesen, während ungesunde Ernährung die Lage verschlimmern kann.

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Das Wichtigste in Kürze

Lipödem ist eine sehr schmerzhafte, chronische Fettstörung. Ein häufiges Problem ist, dass Lipödem oft falsch diagnostiziert und mit anderen Krankheiten verwechselt wird.

Der genaue Grund für Lipödem ist unbekannt, aber das Hormon Östrogen könnte eine Rolle spielen, da die Krankheit hauptsächlich Frauen betrifft. Frauen mit PCOS haben oft hohe Testosteronwerte, was sie jedoch nicht vor Lipödem schützt. Viszerales Fett (Bauchfett) kann Entzündungen verursachen, die das Risiko für Lipödem erhöhen.

Lipödem kann ebenfalls mit anderen Erkrankungen wie Schilddrüsenunterfunktion, Migräne und Depressionen in Zusammenhang stehen.

Was ist ein Lipödem?

Das Lipödem ist eine chronische, fortschreitende Erkrankung, die durch eine abnormale Fettverteilung in den Beinen und manchmal in den Armen gekennzeichnet ist. Frauen sind dabei weitaus häufiger betroffen als Männer. Über diese Störung ist wenig bekannt, und sie wird oft fehldiagnostiziert. Häufig wird sie fälschlicherweise mit Adipositas, Lymphödem oder chronische Venenerkrankung diagnostiziert, was durchaus zeitgleich auftreten kann.[1] Ebenfalls ist es wichtig, das Lipödem nicht mit Cellulite zu verwechseln.

Zu den typischen Symptomen eines Lipödems gehören

✅Schwellungen und eine symmetrische Fettansammlung in den Beinen und Armen

✅Schmerzen und Druckempfindlichkeit

✅Blaue Flecken, die schon bei kleinen Stößen oder leichten Verletzungen entstehen

✅Kälteempfindlichkeit in den betroffenen Bereichen

👉 Das Lipödem-Fettgewebe ist anders als normales Fett. Es ist deutlich fester, klumpiger und empfindlicher.[2]

Ursachen und Herausforderungen des Lipödems

Die genaue Ursache des Lipödems ist noch nicht vollständig geklärt, doch klinische Beobachtungen deuten auf genetische Vererbung, hormonelle Veränderungen (Schwangerschaft, Wechseljahren, Pubertät), erweiterte Blutgefäße und Lymphgefäße sowie chronische Entzündungen hin.[2] 

Eine gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung sind entscheidend für das allgemeine Wohlbefinden und können die Lebensqualität von Lipödem-Betroffenen deutlich verbessern.

Diese Maßnahmen reduzieren jedoch oft nicht vollständig das Lipödem-Fett. Die Liposuktion (Fettabsaugung) hat sich als wirksam bei der Behandlung und Schmerzbewältigung dieser Krankheit erwiesen. Allerdings führt eine erneute ungesunde Ernährung weiterhin zur Fettzunahme, was einen endlosen Teufelskreis von Jo-Jo-Diäten und Gewichtszunahme zur Folge haben kann.

Faktoren, die das Lipödem fördern

Mehrere Faktoren können die Entwicklung und das Fortschreiten des Lipödems begünstigen:

Ungesunde Ernährung

Eine ungesunde Ernährung kann chronisch stille Entzündungen fördern und damit das Risiko für ein Lipödem erhöhen oder den aktuellen Lipödem-Zustand verschlimmern.

Bewegungsmangel

Wenig körperliche Aktivität kann die Symptome verschlimmern. Regelmäßige Bewegung hilft wiederum dabei, die Lymphzirkulation zu verbessern und das Wohlbefinden zu steigern.

Hormonelle Veränderungen

Schwankungen im Hormonspiegel, wie sie in der Pubertät, während der Schwangerschaft oder in den Wechseljahren auftreten, können das Risiko für ein Lipödem erhöhen.

Genetik

Die familiäre Veranlagung spielt eine bedeutende Rolle. Viele Betroffene haben in ihrer Familie Verwandte, die von Lipödem oder anderen Fettverteilungsstörungen betroffen sind. Um ein besseres Verständnis dieser Störung zu gewinnen, befragten Anna-Theresa Bauer et al. (2019), 209 Lipödem-Patientinnen in Deutschland, die bereits eine Liposuktion (Fettabsaugung) hatten. Alle befragten Frauen waren diagnostiziert und wurden wegen der Lipödem-Fettstörung behandelt. Das durchschnittliche Alter betrug 38 Jahre. Die älteste Teilnehmerin war 68 Jahre alt und die jüngste 20 Jahre.  

Die Umfrage ergab, dass bei den meisten Befragten Lipödem bereits in der Familie auftrat. Häufig litten die Großmutter oder Mutter an Lipödem, aber auch Tanten, Schwestern oder Cousinen waren betroffen. Darüber hinaus litten 166 der 209 Teilnehmer an weiteren gesundheitlichen Problemen wie Schilddrüsenunterfunktion (36 %), Allergien (34 %), Depressionen (23 %) und Migräne (24 %).

Weitere gemeldete Erkrankungen waren:

🔸Schlafstörungen (22 %)

🔸Arterielle Hypertonie (13 %)

🔸Asthma und Darmstörungen (13 %)

🔸Hoher Cholesterinspiegel (7 %)

🔸Polyzystisches Ovarialsyndrom (6 %)

🔸Rheuma (3 %)

🔸Typ-1-Diabetes (1 %)

💡 Interessanter Fakt: Häufig trat das Lipödem in Kombination mit Migräne auf.

Von 47 Teilnehmern mit diagnostizierter Migräne hatten 41 mindestens fünf Anfälle pro Monat, während 6 mindestens 10 Anfälle pro Monat erlebten.

Nach einer Liposuktionsbehandlung (Fettabsaugung) berichteten 40% der Betroffenen über eine Verringerung der Migräneanfälle auf einen pro Monat. 30% gaben an, dass die Intensität der Migräne abnahm, 53% erlebten eine geringere Häufigkeit, und 21% hatten keine Migräne mehr.

Dies deutet darauf hin, dass Lipödem mit anderen Gesundheitsproblemen verbunden sein könnte. Zur vollständigen Bestätigung dieses Zusammenhangs ist jedoch weitere Forschung notwendig.

Einfluss chronisch stille Entzündungen

Chronisch stille Entzündungen sind subtile, langanhaltende Entzündungsprozesse im Körper, die oft ohne akute Symptome verlaufen. Diese Entzündungen können die Fettzellfunktion beeinflussen und das Lipödem verschlimmern.

Nachstehend findest du einige Entzündungs-Mechanismen und wie sie mit der Lipödem-Erkrankung zusammenhängen:

1. Wachstum der Fettzellen und Schwellung: Chronische Entzündungen lassen die Fettzellen größer werden und sich vermehren, was zu einer verstärkten Gewebeschwellung führt.

2. Flüssigkeitsansammlung und Schädigung der Lymphgefäße: Entzündungen halten mehr Flüssigkeit im Gewebe fest und schädigen schließlich die Lymphgefäße, sodass diese lecken und die Schwellung verschlimmern.

3. Gefäßveränderungen und leichte Blutergüsse: Entzündungen schwächen die kleinen Blutgefäße, machen sie brüchig und anfällig für Lecks, was zu leichten Blutergüssen und sichtbaren kleinen Venen führt.

Zusammenhäng zwischen Lipödem und PCOS

Wie bereits erwähnt, ist die genaue Ursache des Lipödem noch unbekannt, aber es wird vermutet, dass Sexualhormone wie Östrogen eine Rolle spielen könnten. Schließlich betrifft die Krankheit hauptsächlich Frauen.

Östrogene sind Hormone, die unserem Körper dabei helfen, Fett zu speichern und zu verbrennen. Sie steuern, wieviel wir essen, wieviel Energie wir verbrauchen und wo das Fett im Körper verteilt wird. Wenn Östrogene nicht richtig wirken oder ihre Rezeptoren fehlen, kann sich mehr Fett unter der Haut ansammeln. Das sieht man oft bei Menschen, die am Lipödem leiden.[4]

Frauen mit dem polyzystischem Ovarsyndrom (PCOS) haben gewöhnlich hohe Testosteronwerte, was sie jedoch nicht vor Lipödem schützt. Denn Fettgewebe könnte durch Bauchfett und damit verbundene Entzündungen anfälliger für Lipödem sein.

Der Zusammenhang zwischen Bauchfett und Entzündungen ist folgender: Bauchfett, auch viszerales Fett genannt, sammelt sich um die inneren Organe im Bauchraum an. Dieses Fettgewebe ist kann Substanzen freisetzen, die Entzündungen im Körper fördern. Diese chronischen Entzündungen erhöhen das Risiko für Prädiabetes und Diabetes, was wiederum die Anfälligkeit am Lipödem zu erkranken, erhöht. Das bedeutet, dass Frauen mit mehr Bauchfett und den dadurch verursachten Entzündungen möglicherweise eher ein Lipödem entwickeln.[5]

Mehr Informationen, warum Entzündungen das Abnehmen trotz PCOS erschweren und wie du es besser machst, findest du übrigens in einem meiner beliebtesten Blogartikel.

Diagnose des Lipödems

Die Diagnose des Lipödems erfolgt in der Regel durch eine klinische Untersuchung. Wichtige diagnostische Kriterien sind die symmetrische Fettverteilung und die Schmerzempfindlichkeit. Bildgebende Verfahren wie Ultraschall können bei der Unterscheidung zwischen Lipödem und anderen Erkrankungen helfen.

Die verschiedenen Grade des Lipödems

Das Lipödem wird in verschiedene Schweregrade eingeteilt. Derzeit sind vier Stadien des Lipödems bekannt [1,6]:

Stadium I

Im Anfangsstadium ist die Hautoberfläche noch glatt, jedoch leicht verdickt. Die Fettgewebsvermehrung ist noch relativ gering, und die Fettpolster sind gleichmäßig verteilt. Bei Druck auf die Haut können kleine Knötchen (Mikronoduli) tastbar sein.

Stadium II

In diesem Stadium wird die Hautoberfläche zunehmend uneben und wellig. Es treten deutlichere Fettpolster auf, und die Haut kann eine „Orangenhaut“-Struktur entwickeln. Die Knötchen im Fettgewebe sind größer und deutlicher ertastbar.

Stadium III

Im fortgeschrittenen Stadium sind die Fettpolster stark vermehrt und bilden große, hängende Haut- und Fettlappen. Die Haut ist stark verdickt und uneben. Die Beweglichkeit kann durch das zusätzliche Gewicht eingeschränkt sein, und die Betroffenen leiden oft unter erheblichen Schmerzen und Beschwerden.

Stadium IV

Dieses Stadium, auch Lipolymphödem genannt, ist durch eine Kombination aus Lipödem und sekundärem Lymphödem gekennzeichnet. Neben den typischen Lipödem-Symptomen kommt es zu einer zusätzlichen Ansammlung von Lymphflüssigkeit in den betroffenen Geweben, was zu einer weiteren Schwellung und zusätzlichen Komplikationen führt.

Im Bild zu sehen: Die Klassifikation des Lipödems nach evolutionären Stadien.[1]

Stadium 1: normale Haut mit vergrößerter Unterhaut; Stadium 2: Unebenheiten der Hauttextur mit Fettfalten und großen Gewebebildungen, die wie nicht eingekapselte Massen wachsen; Stadium 3: Verhärtung und Verdickung des Unterhautgewebes mit großen Knoten und Hervortreten von Fettpolstern/-ansammlungen, besonders an den Oberschenkeln und um die Knie; Stadium 4: Lipödem mit Lymphödem, sogenanntes Lipo-Lymphödem.*

*Special thanks to Prof. Dr. Alexandre Amato for providing the image.

🔔Juni ist übrigens der Lipödem Awareness Month.🔔

Wie du siehst, ist dieses Thema recht umfangreich und komplex, so dass ich im Prinzip den ganzen Monat dazu durchschreiben könnte… 😉

Da ich dir den größtmöglichen Mehrwert liefern möchte, habe ich mich dazu entschieden, den Blogartikel in zwei Teilen mit dem nötigen Tiefgang zu veröffentlichen.

Ich informiere dich in meinem immer Mittwoch erscheinenden PCOS Briefing, sobald der zweite Teil zum Thema „Maßnahmen gegen das Lipödem“ veröffentlicht wird.

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Quellen

1. Amato, A. C. M., & Benitti, D. A. (2021). Lipedema can be treated non-surgically: a report of 5 cases. The American Journal of Case Reports22, e934406-1.

2. Ishaq, M., Bandara, N., Morgan, S., Nowell, C., Mehdi, A. M., Lyu, R., … & Karnezis, T. (2022). Key signaling networks are dysregulated in patients with the adipose tissue disorder, lipedema. International Journal of Obesity46(3), 502-514.

3. Bauer, A. T., von Lukowicz, D., Lossagk, K., Aitzetmueller, M., Moog, P., Cerny, M., … & Machens, H. G. (2019). New insights on lipedema: the enigmatic disease of the peripheral fat. Plastic and reconstructive surgery144(6), 1475-1484.

4. Al-Ghadban, S., Teeler, M. L., & Bunnell, B. A. (2021). Estrogen as a Contributing Factor to the Development of Lipedema. In Hot Topics in Endocrinology and Metabolism. IntechOpen.

5. Herbst, K. L. (2019). Subcutaneous adipose tissue diseases: Dercum disease, lipedema, familial multiple lipomatosis, and Madelung diseaseEndotext [Internet].

6. Buck, D. W., & Herbst, K. L. (2016). Lipedema: a relatively common disease with extremely common misconceptions. Plastic and Reconstructive Surgery–Global Open4(9), e1043.

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Laura García, MSc.

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Laura García, MSc.

Seit 2017 setze ich mich intensiv mit dem Thema Polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS) auseinander und helfe von PCOS betroffenen Frauen dabei, sich wieder wohl in ihrem eigenen Körper zu fühlen. Mehr erfahren

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